Cleveres Aufwärmen im Badminton – Teil 2: Joint-By-Joint

Der Joint-by-Joint-Approach von Gray Cook als Grundlage für ein Aufwärmprogramm im Badminton.

Mit der leider meist begrenzten Übungszeit, die in einer Woche im Vereins- oder Stützpunkttraining zur Verfügung steht, muss daher behutsam umgegangen werden. Aus meiner Sicht läuft daher immer die Frage mit, wie wir es schaffen können, möglichst zeiteffizient diese Inhalte zu platzieren. Jeder Baustein im Training muss durchdacht und zielgerichtet sein, ohne das Kreativität und Spaß verloren gehen. Auch für den Trainer, der sich nicht in der Trainingsgestaltung eingeengt fühlen darf.
 
Im zweiten Teil der Reihe habe ich einen kurzen Einblick gegeben, wie Elemente der Lauftechnik im Warm Up eingebunden werden können, um eine bessere, spezifische Beinarbeitskoordination auszubilden und Elemente der Lauftechnik bereits im Aufwärmen anzusteuern. Das physiologische Erwärmen effektiv für badmintonspezifische Grundlagen nutzen. Dies lässt sich in gleicher Weise auch für Elemente der Schlagtechnik aufbauen. Auch hier die simple Grundidee: Bewegungen zur Erwärmung nutzen, die eine technische Grundlage für unsere Sportart bilden können.

     
 
Für genauso wichtig halte ich den Punkt Belastungsverträglichkeit oder Verletzungsreduktion. Dieser MUSS im Training abgebildet werden. Als Trainer haben wir hier ein hohe Verantwortungen gegenüber unseren „Schützlingen“. Nun stellt sich auch hier die Frage, wie dies in der wenigen Zeit, die in der Woche zur Verfügung steht, unterzubringen ist. Aber auch hier kann man Abkürzungen gehen, ohne dabei Inhalte – und dies ist der wichtige Punkt – zu vernachlässigen. Allerdings benötigt der Trainer ein gutes Basiswissen, um die richtigen Verknüpfungen aus der funktionellen Anatomie, dem Anforderungsprofil Badminton und dem athletischen Ist-Stand der Trainingsgruppe herstellen zu können und so einen einfachen Weg für sich zu finden, die verschiedenen Bereiche im Training abzubilden.
 
Ein Modell, was mir als Trainer dabei sehr hilft ist, das „Joint-by-Joint“-Modell des amerikanischen Trainers und Physiotherapeuten Gray Cook. Cook unterteilt den Körper und seine Gelenke in aufeinander folgende mobile und stabile Gelenke hinsichtlich ihrer Grundfunktion (siehe Bild). Dabei folgt auf ein stabiles Segment immer ein mobiles Gelenk – die jeweilige Grundfunktion kann aus der funktionellen Anatomie abgeleitet werden. So ist zum Beispiel die Lendenwirbelsäule ein stabiles Segment. Schon die Wirbelkörper mit ihren Gelenkflächen sind so gebaut, dass hier nur wenig Beweglichkeit möglich ist, während die Brustwirbelsäule deutlich mobiler in Rotation, Extension und Flexion ist, weil eben der Bau der einzelnen Wirbelkörper diese Beweglichkeit schon hergibt. So ergibt, sich angefangen vom großer Zeh, dessen Beweglichkeit sehr wichtig für einen stabilen Fuß und damit für sicheres Landen, Laufen und Abstoppen ist, bis hin zum Handgelenk, eine Abfolge, in der immer ein mobiles auf ein stabiles Gelenk folgt.
 
Joint by Joint 2
 
Was nun damit anfangen? Das Joint-by-Joint-Modell kann dem Trainer eine gute Orientierung geben, welche verschiedenen Bereiche wie bearbeitet werden können. Nun braucht er nur noch einen Anhaltspunkt, wie zum einen der Ist-Stand der eigenen Athleten in den Bereichen ist und zum anderen, welche Gefahrenpunkte wie Verletzungen und eben Einschränkungen in unserer Sportart Badminton, existieren. Neben zum Glück doch seltenen abrupten Verletzungen wie Supinationstraumata, Knieverletzungen wie Kreuzband- und Meniskusschäden sowie Achillessehenverletzungen, kommen im Badminton vor allen Dingen muskuläre Verletzungen (z.B. Verhärtungen, Zerrungen usw.) und sogenannte Overuse-Injuries vor. Diese resultieren oft aus einer Summe von Fehl-, Falsch- und damit Überbelastungen verschiedener Strukturen und zeigen sich in Form von Schulterschmerzen, Ellbogenproblematiken, Rückenschmerzen sowie Hüft- und Knieproblematiken.
 
Nach diesem Modell können beispielsweise typische Badmintonüberbelastungsproblematiken erklärt werden. Dabei geht es jetzt nicht darum, die Rolle des Arztes oder Physiotherapeuten zu übernehmen, sondern lediglich die Problematiken und ihre Ursachen nachzuvollziehen, um vorbeugende Übungen ins Training einzubauen. Typischerweise führt der Verlust in einer Funktion eines Gelenkes zu einer Kompensation in den Gelenken ober- und unterhalb. So kann zum Beispiel eine schlechte, vorgebeugte Haltung (= stabile und nicht mobile Brustwirbelsäule) zu mehr Mobilität des Schulterblattes führen und die beteiligte Muskulatur muss die doppelte Arbeit verrichten. Die Folge sind Verhärtungen in diesem Bereich, die nicht selten in einem Schulterimpingement enden können.
 
Rückenschmerzen können entstehen, weil die Hüfte nicht mobil genug ist, sprich Beweglichkeit und Dehnfähigkeit fehlen. Beugt sich der Athlet nach vorne oder unten, arbeitet er „aus dem Rücken“. Dieser Bereich soll aber nach der Joint-by-Joint Defintion stabil sein. Zwangsweise sind Rückenprobleme die Folge davon. Vielleicht nicht kurzfristig, langfristig meist sicher. Eine nicht selten gesehene Kombination von Unbeweglichkeit der Hüfte und Brustwirbelsäule verstärkt das Ganze natürlich. Dreht der Athlet den Oberkörper, ist aber in der Brustwirbelsäule nur eingeschränkt beweglich, kommt erneut viel Bewegung (=Kräfte) auf die relativ unbeweglichen Wirbelkörper der Lendenwirbelsäule. Gegenmaßnahmen wären Mobilitätsübungen für die Brustwirbelsäule (siehe Beispielübungen Foto 2/3) und Beweglichkeitsübungen für die Hüfte (siehe Beispielübungen Foto 4/5/6/7).
 
Diese Denkweise kann man jetzt als Ursachenforschung auf die verschiedenen Badmintonproblematiken ausdehnen und man stellt häufig als Ursachen fest:
 
- fehlende Mobilität im Schultergelenk
 
- fehlende Stabilität des Schulterblattes
 
- fehlende Mobilität der Brustwirbelsäule einhergehend mit einer schlechten Haltung
 
- fehlende Stabilität im Rumpfbereich der Lendenwirbelsäule
 
- fehlende Mobilität (u.a. Dehnfähigkeit) im Bereich der Hüfte
 
- fehlende Mobilität im Sprunggelenk (z.B. Dehnfähigkeit der Wade)
 
- fehlende Stabilität (oder Fehlstellung) des Fußes
 
- fehlende Mobilität der Großzehengelenke. 
 
Noch nicht abgedeckt ist hier der wichtige Punkt und die Folgen der extremen Quadrizepsdominanz im Badminton. Ansonsten fällt eine Sache dem interessierten Leser sofort auf: die angesprochenen Bereiche sind genau die Bereiche, in denen auch „Normalbürger“ zur Abschwächung und Verkürzung neigen und im Allgemeinen damit als Pflicht-Kräftigungs- bzw. Pflicht-Dehnbereich bezeichnet werden. Das Joint-by-Joint-Modell zeigt hier dann noch zusätzlich, welche Einflüsse zwischen den verschiedenen Segmenten liegen.
 
Soweit für Teil III ein paar Grundlagengedanken zur Effiziensgestaltung hinsichtlich Verletzungsprophylaxe.
 
Badminton DVDs Lauftechnik Schlagtechnik Lernen
  
Ausgehend und orientierend an dem Joint-by-Joint-Modell möchte ich nun eine Abfolge des mittleren Teiles eines Aufwärmprogrammes vorstellen, dass neben der Zielsetzung „Vorbereitung auf folgende Belastungen“ die Zielsetzung „Verletzungsprophylaxe“ verfolgt.
 
Wie in der vorherigen Ausgabe erklärt, sind Verletzungs- oder Überbelastungsproblematiken in einem Körpersegment oft mit Defiziten in darunter oder darüber liegenden Segmenten zu erklären. Rückenschmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule können so aus fehlender Beweglichkeit in der Hüft- aber auch in der Brustwirbelsäulen-Schulter-Region resultieren. Kurzum: alle Hauptsegmente (siehe Abbildung Mobilität – Stabilität) müssen in ihrer Funktion bearbeitet werden. Geht der Trainer nun von unten nach oben, sprich vom Großzehengelenk bis hin zum Handgelenk, gibt dies dem Trainer die Bereiche vor, aus denen er jeweils Übungen auswählen muss, um das Gesamtsystem entsprechend abzudecken. Diese systematische Herangehensweise hat mehrere Vorteile. Neben dem erweiterten Grundverständnis, das somit entsteht und der Tatsache, dass Übungen zielgerichtet („funktionell“) ausgewählt werden, statt eine Abfolge oder ein Sammelsurium von Übungen auswendig zu lernen, kann der Trainer so unzählige verschiedene Übungsprogramme zusammenstellen, was Variation im Training bei gleichzeitiger Vollständigkeit sicherstellt.
 
Joint by Joint 1
 
Pro Bereich bieten sich ein bis drei verschiedene Übungen an, wobei bestimmte Übungen auch mehrere Bereiche ansteuern und somit abdecken können. Folgende Bereiche sind dies im Einzelnen – immer „Mobilität“ und „Stabilität“ abwechselnd von unten nach oben:
 
- Mobilität für das Großzehengelenk („Beweglichkeit großer Zeh“) (1)
 
- Stabilität für den Mittelfuß („Kräftigung Fußbett“ oder „kurzer Fuß“) (2)
 
- Mobilität für das Sprunggelenk („Dehnung Wade“ und „Mobilisation Sprunggelenk“) (3)
 
- Stabilität für das Kniegelenk („Kniestabilisationsübungen“ und „Hüftaktivierungen) (4)
 
- Mobilität der das Hüftgelenk („Hüftmobilisations- und Dehnübungen“) (5)
 
- Stabilität für die Lendenwirbelsäule („Rumpfstabilität“) (6)
 
- Mobilität für die Brustwirbelsäule („BWS-Mobilität“ und „Dehnübungen Brust- und Lat“) (7)
 
- Stabilität für die Schulterblätter („Trapeziusaktivierungen“) (8)
 
- Mobilität für die Schulter („Dehn- und Beweglichkeitsübungen für den Oberarm“) (9)
 
- Stabilität für die Ellbogenregion („Kräftigung & Aktivierung insbesondere Bizeps“) (10)
 
- Mobilität für das Handgelenk („Handgelenksmobilisation- und Beweglichkeit) (11).
 
Für den Bereich „Stabilität“ kommen aktivierende, stabilisierende und kräftigende Übungen zum Einsatz während für den Bereich „Mobilität“ verschiedene Kombinationen von Selbstmassageübungen („Foamroller“), aktiven und passiven Dehnübungen sowie Mobilisations- und Schwungübungen genutzt werden, um eine normale und für den Badmintonsport ausreichende Beweglichkeit herzustellen.
 
Nachfolgend zwei Beispielprogramme für den Teil „Verletzungsprophylaxe“ eines Warm-Up-Programmes mit Übungen, die jeweils diese 11 Bereiche abdecken:
 
Beispielprogramm 1 (Teilprogramm eines Aufwärmprogrammes):
 
1) Rollen mit Tennisball unter dem Fuß (1)
 
2) Clamshells in Seitlage (4)
 
3) Hüftflexion und –extension in Seitlage (4) (5)
 
4) BWS-Mobilisation im Drei-Punkt-Stand (7) (9)
 
BWS Mobilität 1
 
BWS Mobilität 2
 
5) Seitstütz kurz und Abduktion (4) (6)
 
6) Schulterliegestütz (6) (8)
 
7) Unterarmstütz mit Fußgelenk kreisen (1) (3) (6)
 
8) Knie-zur-Brust-Gang mit Zehenhochstand (2) (3) (5)
 
9) Oberschenkel-Dehnung-Gang mit Zehenhochstand (2) (3) (5)
 
10) Hüftbeuger-Dehnung im Spiderman-Gang (5)
 
11) Ausfallschritt rückwärts plus Rudern (2) (4) (6) (8) (9) (10)
 
12) Dehnung Extension & Flexion Handgelenk (11) 
 
Beispielprogramm 2 (Teilprogramm eines Aufwärmprogrammes):
 
1) Rollen mit Tennisball unter dem Fuß (1)
 
2) Dehnung Beinrückseite im Stand (5)
 
3) Dehnung Oberschenkel & Brust im Einbeinstand (2) (4) (5) (7) (8) (9)
 
4) BWS-Mobilisation „Wandsitzen“ (7) (8)
 
Schultertraining Wandsitzen Mobilität
 
5) Abduktion in Seitlage (4)
 
6) Unterarmstütz mit Vor- und Rückschieben (1) (3) (6)
 
7) Liegestütz Diagonal mit T & Y (1) (7) (8)
 
8) Sumo-Squat mit Kniebeuge (2) (3) (4) (5) (6) (7) (8)
 
9) Ausfallschritt mit Rudern und Außenrotation (2) (4) (6) (8) (9) (10)
 
10) Handgelenksmobilisation „Kreisen“ (10) (11)
 
11) Hüftbeuger-Mobilisation „Chain Reaction“ plus Y (2) (5) (8) (9)
 
Die Übungen sind in der Regel von unten nach oben, mit Hilfsmitteln nach ohne Hilfmitteln sowie von Liege- über Stütz- und Sitz- hin zu Stand- und Bewegungspositionen geordnet.
 
Viel Spaß beim Ausprobieren wünscht Diemo Ruhnow
 
Diemo Ruhnow (MSc Sport Coaching, Dipl. Trainer DOSB) ist als Leitender Bundestrainer Doppel/Mixed für den Deutschen Badminton Verband tätig. Er ist international als Referent im Badminton- und Athletikbereich und als Autor für die Trainerecke der BADMINTON Sport sowie für die Internetseite www.badminton.training tätig.
 
     
 

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Diemo Ruhnow (MSc Sport Coaching, Dipl. Trainer DOSB) ist als Leitender Bundestrainer Doppel/Mixed für den Deutschen Badminton Verband tätig. Er ist international als Referent im Badminton- und Athletikbereich und als Autor für die Trainerecke der BADMINTON Sport sowie für die Internetseite www.badminton.training tätig.
 
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