Funktionales Aufwärmen im Badminton
Eine Neuauflage des immer noch aktuellen Artikels "Funktionales Aufwärmen im Badminton", welcher zuerst im Hamburger Badminton Journal erschienen ist.
Fast 14 Jahre ist es nun bereits her, dass Jürgen Klinsmann Unruhe in die Fußballwelt brachte, in dem er für die Nationalmannschaft ein Expertenteam aus Amerika für den DFB verpflichtete, um die deutschen Nationalspieler auf konditionelles Topniveau zu trimmen. Insbesondere das Training mit Gummibändern, ungewohnte Kraftübungen und Warm-Up-Methoden wurden anfangs kritisch gemustert, wenn nicht sogar belächelt. Trainingsmethoden allerdings, die seit vielen Jahren bereits in Amerika, aber auch in Deutschland zum Beispiel in der Leichtathletik an der Tagesordnung sind.
Stichwort ist der Ansatz des „funktionalen Trainings“. Hier werden insbesondere zwei Gesichtspunkte hervorgehoben: Einmal geht es um Training in sportartspezifischen Positionen, wo der Athlet nicht nur eine einzelne Muskelgruppe trainiert, sondern neben der vermeintlichen Arbeitsmuskulatur den ganzen Körper stabilisieren muss. Zum anderen geht es um Training von fundamentalen (auch genannt funktionellen) Bewegungsmustern, wie Laufen, Springen, Werfen, Landen u.v.a. die Grundlagen von Bewegungen verschiedenster Sportarten sind.
Zwei kleine Beispiele sollen das ganze verdeutlichen: Sicherlich ist der Crunch als Übung für die Bauchmuskeln eine gute Basisübung. Bei relativ wenigen Sportarten aber liegt man mit den Beinen angewinkelt auf dem Boden und macht eine Crunchbewegung. Hauptaufgabe der Rumpfmuskulatur ist es in vielen Sportarten, so auch beim Badminton, die Oberkörperstabilität während verschiedener Bewegungen wie z.B. bei Ausfallschritten und Sprüngen zu gewährleisten.
Guckt man sich wiederum Sprünge, sei es denn beim Badminton, Volleyball oder sogar Skispringen an, findet man immer wieder die gleichen Muster: explosive Streckbewegungen der gesamten Beinmuskulatur, wobei auch der Rückenstrecker stark stabilisierend arbeitet, ganz abgesehen von der Landung nach dem Sprung. Warum also nicht gleich Übungen auswählen, wo alle diese Elemente vorkommen, statt isoliert einzelne Muskeln zu trainieren.
Zwei Beispiele (komplettes Programm siehe unten):
Aufwärmen soll möglichst sinnvoll auf die folgenden Belastungen vorbereiten. Leider sieht man noch häufig in unseren Sporthallen, dass vor dem Spiel locker bis zügig gejoggt wird, eine Bewegung, die beim ambitionierten Spieler auf dem Feld so gut wie gar nicht stattfindet. Das Joggen wird dann häufig noch ergänzt dadurch, dass meist Oberschenkelmuskulatur und Wadenmuskulatur statisch gedehnt wird. Man weiß aber heutzutage, dass das dynamische Dehnen Mittel der Wahl sein sollte. Zum einen kann statisches Dehnen im Aufwärmprogramm in Sportarten, wo Schnelligkeit und Schnellkraft gefragt ist leistungsmindernd sein. Als Beispiel soll hier die Wadenmuskulatur dienen: Bennet (1999) fand heraus, dass statisches Dehnen die exzentrische Kraft der Wade bis zu 1 Stunde um ca. 10% senkt. Sicherlich ein sehr wissenschaftlicher Wert, aber bildlich ist es noch deutlicher: 30 Sekunden statisch ein einem Muskel zerren, scheint nicht unbedingt auf eine Sportart vorzubereiten, wo Action & Bewegung angesagt sind.
Ich möchte hier nun eine Auswahl von funktionellen Aufwärmübungen vorstellen, welche zum Beispiel auch Athleten im Landesleistungszentrum durchführen. Die Übungen enthalten viele dynamische Dehnungen, gleichzeitig wird meist aber auch an fundamentalen Bewegungen oder/und Körperstabilität gearbeitet.
Das komplette Programm (1-16) dauert ca. 15 Minuten. Der Ausdruck „Walk“ (engl. Gehen, Gang) gibt den Charakter der Übungen an. Zum Beispiel wird beim Knie-zur-Brust-Gang das rechte Knie kurz kraftvoll kontrolliert zur Brust geführt, selbiges Bein wieder vor dem Körper aufgesetzt und danach das rechte Knie zur Brust geführt wird. Das ganze wiederholt man so oft, bis man zwei Badmintonfelder überquert hat.
1) Hüftrotation mit dem Gummiband
2) Gang seitlich mit dem Gummiband
3) Fußgelenkslauf
4) Zehengang mit Schulterrotation
5) Hackengang mit Armrotation
6) Knee-to-Chest Walk
7) Figure-4 Walk
8) Heel-to-Buttocks Walk
9) Handwalk
10) Frankenstein Walk
11) HugMe-HugTheWorld Walk
12) Crawling Lunge
13) Reaching Lunge
14) Backpedal
15) Liegestützsprünge
Zwei wichtige Punkte, die immer im Vordergrund stehen sind Stabilität und Mobilität. Nur wenn der Sportler seine Kraft über den ganzen Bewegungsradius optimal entfalten kann (Mobilität) und diese Kraft auch optimal übertragen kann, wird die Leistung auch maximal sein.
Ein konkretes Beispiel: Wenn man versucht unter Druck um Hinterfeld noch einen harten Ball (Smash, Schnittdrop, Angriffsclear) zu spielen, ist Mobilität im Rumpf und Schultergürtel gefragt, dass ganze muss man dann aber auch stabilisieren können, um zum einen die optimale Kraftübertragung auf den Ball zu gewährleisten, zum anderen um natürlich auch schnell wieder aus der Ecke zu gelangen.
Diese Anforderung an Mobilität und Stabilität deckt der Leistungssportler durch sein konkretes Mobilitäts.- und Kraftprogramm ab. Es ist aber auch möglich und vor allem sinnvoll für Sportler, die vielleicht nur 1-3 Male in der Woche trainieren, Übungen ins Warm Up einzubauen, welche funktionell genau diese Anforderungen bearbeiten. Der Gewinn, den man daraus erzielt ist enorm: statt sich unfunktional warm zu joggen, nutz man Übungen, die das Ziel des Warm Up, die Belastungsvorbereitung, sicherstellen. Zudem stellt sich durch die Verbesserung der eigenen Mobilität und Stabilität auch eine Leistungsverbesserung ein, ganz davon abgesehen, dass man aktiv Verletzungsprophylaxe betreibt.
Das komplette Programm (1-16) dauert ca. 10-15 Minuten ( Übungen mit * Teil 1, ** s.u.).
1) Fußgelenkslauf (Übung aus dem Lauf-ABC der Leichtathletik)
2) Zehengang mit Schulterrotation
3) Hackengang mit Armrotation
4) *Knee-to-Chest Walk
5) *Figure-4 Walk
6) *Heel-to-Buttocks Walk
7) Handwalk
8) *Frankenstein Walk
9) **HugMe-HugTheWorld Walk
10) **Crawling Lunge
11) Skip mit Klatschen
12) **Rotational Lunge
13) **Reaching Lunge
14) **Backpedal
15) Liegestützsprung
16) Anfersen / Skippings
Übungsbeschreibungen
HugMe-HugTheWorld Walk - Der Name ist Programm: Im Gehen wird erst die Brustmuskulatur durch Zurück.- und Zusammenziehen der Schulterblätter und ein langsames, kontrolliert-kräftiges Rückführen der Arme (siehe Foto) aktiv gedehnt, danach die Schultermuskulatur durch ein Umschließen, quasi ein Selbstumarmen, der Arme um die eigenen Rumpf gedehnt - Aktive Dehnung (= Kräftigungsanteil + Dehnunganteil) der Schulter.- und Brustmuskulatur.
Crawling Lunge – Es werden große kontrollierte Ausfallschritte hintereinander über zwei Badmintonfelder gemacht, wobei jeweils mit dem Ellbogen der Schuh des vorderen Beines berührt wird – Aktive Dehnung Hüftbeuger / Rumpf (bei Ausführung rechter Ellbogen zum linken Fuß)
Rotational Lunge – Es werden Kraftausfallschritte (= hinteres Knie bis fast auf den Boden abgesenkt und hintere Ferse zeigt nach oben) gemacht. In der unteren Position wird dann der Rumpf jeweils kräftig langsam nach links und rechts gedreht. Wichtig: Bewegung soll nur im Rumpf stattfinden, insbesondere das vordere Knie und der vordere Fuß soll stabil in gerader Linie gehalten werden – Mobilisation Rumpf & Stabilisation Fuß / Knie
Reaching Lunge – Ähnlich wie Rotational Lunge, nur jetzt muss versucht werden, beim Ausfallschrittstand mit Rechts / Links mit der rechten /linken Hand die hintere Ferse zu erreichen. Der andere Arm schiebt nach gerade oben, so dass man deutlich eine Dehnung der seitlichen Rumpfmuskulatur spürt. Wichtig: Bewegung soll nur im Rumpf stattfinden, insbesondere das vordere Knie und der vordere Fuß soll stabil in gerader Linie gehalten werden – Mobilisation Rumpf / Schulter & Stabilisation Fuß / Knie
Backpedal – Aus der defensiven Position = 90-Grad-Kniebeugenstand wird rückwärts mit vollem Armeinsatz (Bewegung in der Schulter!) „tief“ gelaufen. Wichtig ist, dass der gerade Rücken der Kniebeugeposition während der Laufens erhalten bleibt.
Viel Spaß beim Üben und Einbau ins Training !
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