WISSEN Wichtige Ausbildungsinhalte im Nachwuchstraining - Teil 1

Um auf internationalem Parkett im Schülerbereich und langfristig konkurrenzfähig sein zu können, müssen eine Vielzahl von technisch-taktischen Themen ausgebildet werden.

Der Komponist Anton Bruckner sagte einmal: „Wer hohe Türme bauen will, muss lange beim Fundament verweilen.“ Auch die deutschen Jugendnationaltrainer fordern von den Schützlingen aus dem Talentteam oder Perspektivteam Deutschland seit Jahren „perfekte Basics“. Was aber zählt zu den Basics, zu den grundlegenden Techniken, die im Nachwuchsbereich ausgebildet werden müssen, um mit jungen Dänen, Franzosen und Engländern mithalten oder sie gar - früher oder später - schlagen zu können?
 
Der ehemalige deutsche Chefbundestrainer im DBV und heutige Chef des englischen Verbandes Jakob Høi antwortete einmal auf die Frage, welche Themen er denn Anfängern im Vereinstraining zuerst vermitteln würde mit: „1. Stunde Griffwechsel, 2. Stunde Rückhand und 3.Stunde Schnittdrops auf dem Hinterfeld“ und deutete damit an, in welche Richtung er Basics zu verstehen mochte. Viele Trainer teilen mittlerweile diese Meinung, wenngleich mancher Trainer fragen mag, „ob dies nicht zu schwierig für unsere Kleinen ist.“ Einen Fehler dürfen wir als Trainer nicht machen: Unsere eigene Fähigkeit darf nicht die Begrenzung sein, an der wir uns orientieren. Kinder können oft mehr, als wir es ihnen manchmal im ersten Moment zutrauen. Natürlich kann ein Sechsjähriger eine Finte am Netz schlagen, ein Achtjähriger einen technisch guten Clear mit der Rückhand oder eine Siebenjährige einen angeschnittenen Drop aus dem Hinterfeld. Wir müssen es nur als Trainer vermitteln können und es muss uns bewusst sein, dass dies möglich oder gar nötig ist. „Aber ist dies dann nicht schon Leistungstraining?“, mag sich mancher Leser jetzt fragen. Nein! Viele wichtige, grundlegende Themen zu vermitteln ist für mich kein Leistungstraining, sondern einfach nur „gutes“ Training.
 
Welches sind jetzt aber die Themen, die ich als grundlegend ansehe? Für mich sind dies vor allem fertigkeitsorientierte Techniken, die jeweils wichtige Elemente beinhalten. Sie sind die Basis vieler weiterer Badmintontechniken, stellen wichtige Schlag- und Laufprinzipien dar und ihre Nicht- oder Spätausbildung führt zu erheblichen Mängeln, Einschränkung oder unverhältnismäßiger Mehrarbeit im späteren Training. Einen Auszug davon möchte ich in dieser und der folgenden Trainerecke kurz darstellen und erläutern.
 
Bleiben wir zunächst bei den bereits erwähnten Themen und starten wir mit dem Griffwechsel. Viele Trainer kennen das Problem der falschen Griffhaltung bei Überkopf-, aber auch bei Unterhand-/Seithandschlägen im Kinderbereich. Ich halte es für sehr wichtig, dass vom lockeren Ausgangsgriff die Kinder frühzeitig lernen, dass es nicht nur einen, zwei oder drei Griff gibt, sondern das verschiedene Schläge in verschiedenen Bereichen auch unterschiedliche Griffe erfordern. Dies klingt komplizierter zu vermitteln, als es letztendlich ist. Dank dem Konzept des differentiellen Lernens kann man sich hier das Leben erleichtern, in dem man mit Kindern den Griffwechsel am Netz und im Drivebereich übt. Man bekommt zusätzlich jede Menge „geschenkt“, wenn man sich zeitnah mit Rückhand und Schnittdrops aus dem Hinterfeld beschäftig. Lernt das Kind nämlich bereits zum Einstieg verschiedene Schläge und Griffe sowie die Fähigkeit schnell und unkompliziert zwischen ihnen zu wechseln, ist das Problem des einen bzw. falschen Griffes schon fast von alleine gelöst. Übt man stundenlang nur Vorhandclear und langer Aufschlag garantiere ich dafür erhebliche Probleme bei einem Großteil der Kinder bei diesem Thema.
 
Das frühe Erlernen der Rückhand im Hinterfeld hat den Vorteil, dass zum einen koordinativ eine wichtige Grundlage gelegt wird und man sich später nicht mit dem schwierigen Umlernen einer vermeintlich ungünstigen Rückhandtechnik beschäftigen muss. Ebenfalls kann man auf der Rückhandseite das Prinzip der kinetischen Kette verdeutlichen. Oftmals kann auf der Rückhandseite der Ellbogeneinsatz bzw. die Schlagschleife für viele Kinder verdeutlicht werden. Das Erlernen der Rückhand im Hinterfeld verbessert zudem automatisch die Schlagbewegung vieler Vorhandschläge im Hinterfeld.
 
Schnittdrops im Hinterfeld sind für mich aus mehreren Gründen ein wichtiges Thema. Zum einen ist die Möglichkeit durch Schnitt einen Ball in einer anderen als der eigentlichen Schlagrichtung, also getäuscht, zu platzieren ein wichtiges taktischen Lösungsprinzip und zum anderen auch für den Griffwechsel durch eine leichte Anpassung des Griffes im Hinterfeld im Vergleich zum Clear oder Smash eine wichtige koordinative Komponente. Weiterhin löst ein frühes Erlernen verschiedener Schnittdrops aus dem Hinterfeld eine Vielzahl von Problemen, welche oft noch älteren Jugend- oder gar Seniorenspielern wertvolle Trainings- und Justierungszeit kostet: Lernt man diese Schnittdrops frühzeitig und Außen- als auch Innenschnitt quasi parallel, sind sie oft ansatzloser und damit schwerer für den Gegner zu erkennen. Weiterhin sind ein besseres Feeling (dt. Ballgefühl) und eine bessere oder einfachere, weil natürlichere, Platzierung bei einer frühzeitigen Beschäftigung mit Schnitt im Hinterfeld vorprogrammiert.
 
In der heutigen Ausgabe der Trainerecke der Badminton Sport bleibt nur noch Platz für ein wichtiges Thema. Ich möchte es einfach halten und entscheide mich für den breiten Stand oder die breite Fußstellung. Generell betrifft es das komplexe Thema der Laufarbeit und des Laufrhythmus im Badminton – welches auch ausführlich in den Ausgaben 12/2012-03/2013 der Badmintonsport von mir thematisiert worden ist. Hier haben viele unserer Nachwuchsathleten noch großes Potential. Nicht zuletzt auch, weil Literatur zu dem Thema Mangelware ist und auch auf der Vielzahl der Trainerfortbildungen eher über Schlag- als umfassend von Lauftechnik referierte wird. Für mich sind in den ersten Stunden Vereinstraining erst einmal wichtig, dass die Kinder nicht zu aufrecht auf dem Feld stehen. Der Schwerpunkt sollte tief sein, der Oberkörper etwas vorgeneigt und die Schrittstellung „breit“. Wie breit? Lee-Chong-Wei-breit. Lieber zu breit, als zu eng. Wenn dies schon einmal stimmt, dann kann man sich mit den Prinzipien von Starten, Laufrhythmus und Co. beschäftigen. Einen großen Teil des Fehlerpotentials wird man schon erschlagen haben.
 
Dies als erster Einblick in die Themen, die ich im Bezug auf das Kinder- und Anfängertraining sehr wichtig halte – egal ob mit U7, U9 oder U11. In der nächsten Ausgabe folgen weitere Themen sowie ein 20-Sekunden-Tipp für den sinnvollen Aufbau einer Vereinstrainingseinheit.

Diemo Ruhnow
 
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