VIDEO Laufrhythmus im Badminton – wie funktioniert das eigentlich? Teil 2
In Teil 1 ging es um verschiedene Ausgangsvoraussetzungen sowie eine wichtige Übung zum Start. Teil 2 folgt mit weiteren Überlegungen & Übungen: Guter Laufrhythmus als Schlüssel.
Bereits in den vorhergehenden Teilen der Serie zur Laufarbeit im Badminton haben wir festgehalten, dass es neben dem schnellen Start, der aus unterschiedlichen Positionen erfolgen kann, auf den richtigen Zeitpunkt dieses ersten explosiven Abdrucks ankommt. Diesen zu finden hängt wiederum von der eigenen Lesefähigkeit (=Antizipation + Erkennen) des gegnerischen Schlages oder komplexer, der gesamten Spielsituation, ab.
Wie aber dies schulen? Zunächst müssen wir Folgendes festhalten: Sofern die gegnerische Lösung nichts sofort nach dem eigenen Treffpunkt zu erkennen ist – dies kann beispielsweise nach einem Smash der Fall sein – bewege ich mich in Richtung des taktischen Spielfeldzentrums. Kurz vor dem Start in die neue Spielfeldecke muss das Tempo verlangsamt oder der Lauf aus der Ecke so angepasst werden, dass ich zwar den ersten Schritt aus der Ecke explosiv ausführe, dann aber mit angepasstem Tempo zum richtigen Moment „langsam“ vor dem Start in die neue Ecke bin. Warum? Relativ banal: Bin ich zu schnell im Spielfeldzentrum, habe ich schlichtweg zu viel Energie verbraucht (zu früh zu schnell da sein). Wenn ich im Moment des Neustarts noch zu schnell in Bewegung bin, brauche ich zu viel Energie, um meinen Laufweg erst zu stoppen und dann gegebenenfalls die Richtungsänderung durchzuführen. Man führe sich das Bild einer Vollbremsung in der Kurve vor Augen, um dann mit Vollgas in die neue Richtung zu starten – dies würde im Straßenverkehr oder gar in der Formel 1 wenig sinnvoll erscheinen. Betrachtet man jetzt zeitlich diesen Ablauf sind wir bei dem Wort „Laufrhythmus“ angelangt. Dem rhythmischen Wechsel zwischen Explosivität (aus der Ecke), Verlangsamung (vor dem Treffpunkt) und erneute Explosivität (schneller Start).
Wie jetzt das ganze aber schulen? Wie bereits in der ersten Folge festgehalten, ist ein entscheidender Schlüssel die Lesefähigkeit des gegnerischen Schlages. Unabhängig von der allgemeinen Schulung der Rhythmisierungsfähigkeit, sollte jede Übung des Laufrhythmus diese Anforderung an die Lesefähigkeit und dann Lösefähigkeit, also „die richtige Entscheidung treffen“, enthalten.
Bevor ich die dazugehörige einfache Übung vorstelle möchte ich den Leser weiter zum Denken anregen und die Frage stellen, wie man einen weniger guten Laufrhythmus ausbildet. Kehrt man einfach die bisher geschlossenen Folgerungen um, erhält man des Rätsels Lösung. Man wählt Übungen aus, bei denen eben nicht diese Anforderung an das Lesen und Lösen gestellt wird. Dies sind Übungen mit fester Schlag- und Laufreihenfolge, beispielsweise Schlagsicherheitsübungen oder Ballmaschinen mit fester Reihenfolge. Und bitte nicht falsch verstehen! Auch diese Übungen haben auf alle Fälle ihre Daseinsberechtigung. Die Fragen, die sich stellen, sind nur a) für welche Ziele und welches Level nutze ich diese Übungen, b) wie lange führe ich diese Übungen durch und c) wie kann ich diese Übungen abwandeln oder weiterentwickeln, so dass sich das vermeintlich Manko in Luft auflöst.
Dazu kurz ein Ausflug nach Asien. Wie bereits in Teil 1 festgehalten, hat Lin Dan einen außergewöhnlich guten Laufrhythmus. Aber auch bei der Jugend-WM 2012 war es mit dem späteren Vize-Jugendweltmeister Song Xue ein Chinese, der sich augenscheinlich den besten Laufrhythmus der weltbesten Jugendspieler besitzt. Wie also trainieren die Chinesen den Laufrhythmus? Wenn ich an „Training in China“ denke und die Trainingszeit während meines Studiums in China sowie mehrwöchige Aufenthalte in zwei Trainingszentren in Beijing und Changsha reflektiere, fallen mir insbesondere drei Dinge dazu ein. Erstens viele komplexe, aber dennoch einfache „offene“ Übungen gepaart mit zweitens einer relativ langen Übungsdauer und drittens relativ, im Vergleich vielleicht zum Training in Deutschland wenig Ballmaschinen. Was hat dies zur Folge? Übungen wie „Vorderfeld gegen ganzes Feld mit Smash“ mit einer Dauer von 20 Minuten sind zwar sehr komplex, aber schulen sämtliche Anforderungen des Badmintonspiels. Zusätzlich sorgt die lange Dauer dafür, dass letztendlich unökonomisches Bewegen bestraft wird und sich so die Laufarbeit ökonomisiert. Lieber warte ich ein wenig länger und starte in die richtige Richtung, als oft zu früh und falsch zu reagieren, was unnötig Kraft, die man gegen Ende vielleicht gar nicht mehr aufbringen kann, kostet. Sicher absolut keine Übung für den kompletten Anfänger, aber die Entwicklung sollte in diese Richtung gehen.
Zurück zur potentiellen Einführungsübung zum Thema Laufrhythmus: Fast jeder Trainer kennt das berühmte „Polizistenspiel“. Der Trainer oder ein Spieler zeigt dem Übenden eine festgelegte Anzahl von Spielfeldecken an, diese werden mit der jeweiligen festgelegten(?) Lauftechnik angelaufen. Diese Übung lässt sich einfach anpassen, so dass diese Übung bereits für Anfänger den Laufrhythmus schult (siehe Bildreihe).
Der Trainer zeigt zunächst in eine der hinteren Spielfeldecken (Bild 1). Der Übende startet in diese Ecke, während der Trainer den Schläger in variablen Geschwindigkeiten (aber pro „Mal“ konstant schnell) von oben Richtung Boden führt. Aufgabe des Spielers ist es, seine Laufgeschwindigkeit Richtung Mitte der Geschwindigkeit des Schlägers des Trainers so anzupassen (Bild 2/3), dass er im Spielfeldzentrum ankommt und fertig für den nächsten Start ist, wenn der Schläger den Boden berührt. Berührt der Trainer mit dem Schläger den Boden (Bild 4)zeigt er sofort in eine der beiden vorderen Spielfeldecken (Bild 5/6).
Start in Rückhand beim Badminton Spiel:
Start in Vorhand beim Badminton auf dem Feld:
Danach erfolgt die Rückkehr in die Mitte und der Neustart des Zyklus. Jetzt enthält diese Übung alle Anforderungen, die für eine Übung für den Laufrhythmus enthalten soll, mit einer Vereinfachung: Statt den Ballflug zur Erkennen muss nur Zeitpunkt und Richtung der Anzeige des Trainers erkannt werden (Bild 5/6)– jedoch ohne zu früh im Zentrum zu sein oder falsch zu reagieren. Ist das Prinzip der Übung den Übenden klar, kann die Übung ohne das Fixum des wiederholten Starts in die hinteren Ecken erweitert werden. Ist wiederum dies entsprechend verstanden und umgesetzt sollte auf komplexere Übungen mit fliegendem Ball umgestiegen werden. Diese können zum Beispiel in der Reihenfolge „Hinterfeld gegen Vorderfeld“ und „Hinterfeld gegen ganzes Feld“ – bei Belastungsdauern von anfangs zwei bis drei Minuten bei zwei bis drei Serien - sein.
Wenn diese einführenden Übungen und vor allen Dingen das Prinzip des Laufrhythmus verstanden sind, gilt es dies im Training fortwährend einzufordern. Auch bei einfachen Übungsformen wie Schattenbadminton, Ballmaschinen und Schlagsicherheitsübungen sollte ein realistischer Laufrhythmus zu erkennen sein – als Trainer einfach darauf achten, dass die Spieler nicht zu früh in eine Spielfeldecke laufen oder dies ohne einen weiteren explosiven (bei Richtungsänderung) oder beschleunigenden Abdruck (ohne Richtungsänderung – „Durchlaufen“) ausführen.
Im letzten Teil der Serie soll das Ganze mit zwei weiteren Aspekten zum besseren Verständnis sowie einer Übungsreihung komplettiert und abgeschlossen werden.
Aspekt Nr.1 findet sich in der folgenden Übung, die Holger Hasse bei einer Fortbildung vorstellte. Der Trainer macht einige Wurfbewegungen mit dem Ball in Richtung Netz, ohne jedoch den Ball zu werfen (siehe Foto 1/2) – irgendwann wirft er ihn aber kurz hinter das Netz. Der Spieler hat die Aufgabe, sich erst dann zu rühren (Foto 4) und explosiv zum Ball zu starten (Foto 5/6), wenn er wirklich hinter das Netz fliegt. Wirft der Trainer nicht, d.h. täuscht er also nur mit einer Bewegung des Armes (siehe Foto 1/2) an, dann soll er entspannt stehen und nicht etwa in irgendeiner Art reagieren. In Korea wird diese Übung in der Grundausbildung der Spieler dazu verwendet, dass diese lernen nicht zu früh falsch zu reagieren, sondern erst im richtigen Moment in die richtige Spielfeldecke zu starten. Vorher soll der Spieler entspannt warten und keine unnötige Energie und Kraft verschwenden. Also im Zweifelsfall lieber etwas später reagieren, als ständig zu früh.
Korea-Übung:
Aspekt Nr.2 den ich noch einmal betonen möchte, ist das Trainieren von „Footwork“-Übungen (IDEEN gesucht -> Footwork-DVD). Den meisten Trainern (und Spielern) werden diese Übungen, in denen es um schnelle Fuß- und Beinbewegungen geht, ein Begriff sein. Welchen direkten Nutzen haben diese Übungen aber für unsere Laufarbeit? Wenn man die Situation nun doch falsch gelesen hat, d.h. die Füße falsch ausgerichtet hat oder einfach bereits zu früh in die falsche Diagonale reagiert hat, dann sind kleine, sogenannte Korrekturschritte nötig. Genau diese Schritte, oft ein Versetzen der Füße und/oder eine Drehung der ganzen Fuß-Hüft-Schulter-Achse, werden in unterschiedlicher Art, Weise und Kombination in verschiedenen Footwork-Übungen koordinativ geübt. Hier ist es wichtig, dass der Spieler zum einen eine Vielzahl von koordinativen Footworkübungen (z.B. Überkreuzen, Laufen vor/zurück auf der Stelle) im Training übt, damit ein gewisses koordinatives Grundpotential zur Verfügung steht, aber auch spezifische Übungen für bestimmte Spielsituationen (z.B. rechter Fuß vorne, dann schnelle Drehung um den Körperschwerpunkt) in das Training integriert. Korrekturschritte kommen im Spiel oft vor – schließlich ist es zwar das Ziel, einen guten Laufrhythmus auszubilden, aber ein mögliches Ziel des Gegners kann sein, genau dagegen anzuarbeiten.
Beispiel Footwork:
Beherzigt man diese beiden zusätzlichen Aspekte und orientiert sich an den Ideen, die bisher Bestandteil dieser Reihe waren, könnte man das Training des Laufrhythmus grundlegend so aufbauen:
Übungspool 1: Koordinative Übungen wie verschiedene Footworkübungen, Sprintübungen und koordinative Rhythmusübungen (siehe Videos), welche die koordinativen Grundlagen für Richtungswechsel, den explosiven Abdruck und den rhythmischen Wechsel von langsamen und schnellen Bewegungen einüben.
Übungspool 2: Vorübungen zum Start wie das Starten von der Bank (siehe BS 1-2/2013), Starten aus Footwork, Korea-Übung
Übungspool 3: Polizistenspiel mit Rhythmus, Ballmaschinen mit Focus Rhythmus, Übungen mit Schlagreihenfolge und Focus Rhythmus
Übungspool 4: Übungen mit fliegendem Ball und Einschränkungen aber hoher Anforderung an das Lesen (hier: Erkennen der Schlaglösung) und Lösen (hier: Anpassung der Laufgeschwindigkeit und Ausrichten der Füße) wie z.B. Defensiv Midcourt mit Laufrhythmus (siehe Videos), Hinterfeld gegen Vorderfeld, Hinterfeld gegen ganzes Feld, Halbfeldeinzel mit Drop und Clear mit Focus rhythmisches Bewegen.
Übungspool 5: Offene Übungen mit fliegendem Ball wie Einzel ☺, Hinterfeld gegen ganzes Feld inklusive Smash, „Zwei-Gegen-Eins“-Übungen auf dem ganzen Feld.
Dabei ist die Reihenfolge von Übungspool 1 zu Übungspool 5 nur als Vorschlag – relativ einfach „vom Einfachen zum Komplexen“ aufgebaut - zu verstehen und keinesfalls als vollständig anzusehen. Wichtig für den Trainer ist es, die verschiedenen Elemente des Laufrhythmus zu verstehen, herauszufinden, auf welchem Stand die eigenen Spieler stehen und woran es gegebenenfalls mangelt und die entsprechenden Ableitungen zu treffen. Dabei gilt es, das komplexe Bild – insbesondere die Anforderung an das Lesen und Lösen – nicht zu verlieren und daher möglichst komplex zu arbeiten. Einzelne Übungen, die nur Teile des Laufrhythmus trainieren, haben durchaus ihre Berechtigung, dürfen aber nicht zum Selbstzweck dienen.
Die Texte wurden jeweils zuerst in der Badminton Sport vom Verlag Meyer & Meyer vom Autor Diemo Ruhnow veröffentlicht.
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Diemo Ruhnow
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