WISSEN - Moderne Vermittlung der Beinarbeit & „neue“ Elemente der Lauftechnik – Teil 1

Eine effektive und gleichzeitig effiziente Laufarbeit ist nicht nur im Einzel, sondern auch in den Doppeldisziplinen ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg.

Eine gute Beinarbeit ist nicht nur von Nöten, um den Ball des Gegners schnellst möglichst zu erreichen, sie soll gleichzeitig eine optimale dynamische Balance bei Schlägen im Vorderfeld und Midcourt bieten und insbesondere im Hinterfeld Täuschung bzw. Ansatzlosigkeit und Beschleunigung unterstützen.

Schauen wir mit einem kritischen Blick auf die Badmintonwelt, fällt auf, dass Europa - wenn man Dänemark und vielleicht einzelne Spieler anderer Nationen einmal herausnimmt – im Bereich Laufarbeit stark den asiatischen Topnationen wie Japan, China und Indonesien hinterherhinkt, was taktische Laufarbeit, Lauftechnik, Laufrhythmus und Laufökonomie betrifft. Auch in Dänemark, nach Auskunft des ehemaligen Bundestrainer Jacob Øhlenschlæger, der dort u.a. für die hochgelobte Konzeption der Elite-Trainer-Ausbildung mitverantwortlich war, begann man relativ spät, der Beinarbeit den entsprechenden Raum in der Trainerausbildung zu geben, weil einfach wenig Ausbildungsmaterial zu diesem Thema im Vergleich zu Schlagtechnik vorhanden war.

Um das Thema entsprechend umfassend aufzubereiten, sind zwei Bereiche von Nöten. Zum einen geht es darum, alle relevanten Elemente der Lauftechnik detailliert – ja klinisch genau - biomechanisch zu erfassen („Clinical Eye“) und taktisch einzuordnen zu können. Zum anderen gilt es zu überlegen, wie die nötigen identifizierenden Elemente bestmöglich an Spieler vermittelt werden können, damit diese nicht nur im Training, sondern auch in Stresssituationen im Wettkampf zur Verfügung stehen. Dies ist letztendlich die Kunst, die ein Trainer beherrschen muss („Art of Coaching“).

Beide Bereiche sind Wissenschaften für sich und nicht deckungsgleich. Genauso wenig wie ein Chirurg fachspezifisch mit lateinischen Ausdrücken mit einem Patienten sprechen sollte, ist es nicht die effizienteste Methode, einen Spieler mit technischen Details oder biomechanischen Ausdrücken und Korrekturen, die auf den Körper bezogen sind („interne Hinweise“ – wie z.B. „streck den Ellbogen“) zu überhäufen. Es geht darum, eine möglichst implizite Lernumgebung zu schaffen, indem gestellte Aufgaben bei entsprechenden Begrenzungen die jeweilige Technik entwickeln. Beispiele hierfür sind „Lernen am Vorbild“, „Teaching Games for Understanding“ oder die Techniken des Differenziellen Lernens. Hinweise des Trainers sollten ebenfalls möglichst aufgabenbezogen, bildhaft („Starten wie ein Sprinter“) oder gefühlsweckend („leichtfüßig & leise“) formuliert sein und damit möglichst viel externe und weniger interne Sprache enthalten. Schafft man es, die Beinarbeit so langfristig möglich implizit zu dem detaillierten Bild des Trainers von der Beinarbeit zu entwickeln, gewinnt man dadurch auch die Vorteile, die implizites Lernen mit sich bringt: Das Gelernte ist unter Stress abrufbar und zusätzlich so automatisiert, dass der Fokus des Spielers auf andere Bereiche – wie etwa das Spielen einer bestimmten Taktik oder das Beobachten und Wahrnehmen des Gegners – möglich ist.

Um alle relevanten Elemente der Laufarbeit im Badminton zu erfassen, betrachten wir zunächst den Zyklus der Beinarbeit. Innerhalb eines Ballwechsel läuft dieser Zyklus mehrfach ab. Bevor der Gegner den Ball trifft, wird in der Regel ein Split Step durchgeführt und wenn der Schlag erkannt wird, wird zum Ball gestartet. Wurde der Schlag falsch antizipiert oder gedeckt, wird vor dem Schlag eine Korrektur durchgeführt. Nun wird in die entsprechende Spielfeldecke je nach Distanz mit verschiedenen Transportschritten gelaufen, bevor eine Endaktion wie z.B. ein Ausfallschritt, Chinasprung oder Umsprung durchgeführt wird (und der Ball geschlagen wird). Anschließend wird mit Transportschritten wieder in eine neue taktische Mitte gelaufen. Bis auf diese Endaktion findet sich dieser Zyklus auch in anderen Spielsportarten wieder. Auch die Transportschritte wie Kreuz- und Nachstellschritte, Laufen und Hüpfen findet man in Fußball, Tennis oder Handball wieder. Auch im Fußball muss explosiv gestartet werden, der Tennisspieler muss mit verschieden langen Distanzen zum Ball laufen und der Handballspieler muss in der Defensive seinen Beinposition korrigieren, wenn der Angreifer eine Körpertäuschung einsetzt. Aber auch die Endaktionen findet man in anderen Sportarten: der Fechter macht einen perfekten Ausfallschritt auf dem Weg zum Treffpunkt des Gegners und die Hüftdrehung ist ein elementarer Bestandteil für jeden Golfer.

Wie badmintonspezifisch ist also eigentlich „unsere“ Lauftechnik? Meiner Meinung nach: unspezifisch. Beispiel Malayenschritt: Was ist das Ganze? Letztendlich ein Hüpfer rückwärts auf einem Bein (den man auch beim Fußballtorhüter öfter mal sieht) bei gleichzeitiger Drehung. Mehr nicht. Darauf folgt ein Umsprung nach hinten. Wirft man einen Schlagball im Rückwärtslaufen, sieht das ähnlich aus. Ein Chinasprung? Letztendlich ein flacher oder hoch – je nach taktischer Situation - ausgeführter Sidestep oder Cut.

Ebenfalls eine fundamentale Bewegung. Und dies ist der entscheidende Punkt. Alle bisher aufgeführten Bewegungen sind fundamentale Bewegungen, die Kinder - oder zumindest Kinder der 80er und 90er Jahre, bzw. Kinder, die mit viel Bewegung aufwachsen - automatisch beim Spielen entwickeln. Alles hat mit Laufen, Springen, Richtungswechseln und Werfen zu tun – aus verschiedene Positionen und in verschiedenen Richtungen. Fundamentale Bewegungsmuster, die unseren Kindern heutzutage oft fehlen, die aber in anderen Nationen wie Indonesien oder China, wenn man einmal von der Ostküste absieht, dort noch entsprechend ausgebildet sind. Wir sind in diesem Punkt also Entwicklungsland. Da diese Bewegungsmuster oft nicht mehr entsprechend vorhanden sind, müssen wir diese möglichst breit ausbilden – schließlich sind sie ja, wie eben dargestellt, das, was wir auf dem Spielfeld die ganze Zeit benötigen.

Wie machen es die anderen Nationen? Der Blick über den Tellerrand lohnt sich definitiv, um Inspirationen und ein komplettes Bild zu gewinnen. Auch um mit „alten“ Bildern aufzuräumen, wie mit der "quer"-Fußstellung im Vorderfeld in verschiedenen Situationen oder der linearen Landung im Hinterfeld. In Dänemark wird eine breit aufgestellte Beinarbeit vor allen Dingen durch eine Vielzahl von verschiedenen taktischen Situationen entwickelt, während die Japaner überaus fleißig und gewissenhaft an kleinesten Details schleifen. In Amerika geht man sehr strukturiert an die einzelnen Bewegungen im Spielsport heran, während in China und Korea im hohem Umfang verschiedenste Footwork- und Laufübungen durchgeführt werden . In Indonesien, dem Badminton-Äquivalent Brasiliens im Fußball, legt man hohen Wert auf lockeres und „tänzelndes“ Bewegen.
 
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