Citius, Altius, Fortius: Lernen im Badminton Teil 4
Effizienter und effektiver trainieren lassen. In den vorangegangen drei Teilen habe ich aufgezeigt, wie durch kleine Anpassungen und Veränderung im Training Lerninhalte schneller vermittelt werden können, um ein höheres Potential herauszubilden und was gleichzeitig so kraftvoll manifestiert ist, dass es auch in höchsten Stresssituationen abrufbar ist. Diese Veränderungen im Trainerhandeln bezogen sich auf das Nutzen möglichst vieler impliziter Trainingsmethoden, einer lerngerechten Sprache, einer modernen Anordnung von Trainingsinhalten und das Nutzen von Zusammenhängen verschiedener Schlagfamilien.
Zum Abschluss der Serie möchte ich noch einige „Lerntricks“ präsentieren und auf die wichtige Lernumgebung eingehen. Vor knapp 11 Jahren veröffentliche Daniel Coyle mit dem Buch „Talent Code“ eine Zusammenfassung seiner Erlebnisse, Erfahrungen und Eindrücken seiner Reise zu einer Vielzahl von weltweit herausragenden Talentschmieden. Dabei ging er der Frage nach, was dort jeweils anders gemacht wird, warum aus bestimmten Orten eine Vielzahlen von Talenten an die jeweilige Weltspitze kommen. Was wurde an der Talentschmiede „La Masia“ des FC Barcelonas gemacht, wie wird in dem Club in Russland trainiert, wo viele der russischen Tennisspielerinnen der Weltspitze ihren Ursprung haben, was machen die Brasilianer im Fußball anders? Aus welchen „Talent Hot Beds“ kommen die erfolgreichen Schachspieler, Mathematiker, Musiker dieser Welt? Neben „Talent Code“ fasst COYLE 2012 in „The Little Book of Talents“ seine Ergebnisse in kleinen Tipps zusammen, wie man schneller lernt, zusammen.
Von diesen möchte ich hier drei ausgewählte vorstellen:
Mein Favorit ist „to learn it deeply, teach it” (COYLE 2012). Ich habe selber die Erfahrung gemacht, in dem man Sachen anderen lehrt, trainiert man automatisch – mental – unterbewusst eben diese Dinge und diese verbessern sich direkt auf dem Court. Dies kann man sich natürlich als Trainer zu nutzen machen, aber auch in seine Trainingsgruppe integrieren und Chancen für diese Art des Lernen kreieren.
„Before sleep, watch a mental movie” (COYLE 2012) – wer kennt es nicht, den Tipp sich vor einer schweren Klausur oder Prüfung sich das jeweilige Buch unter das Kopfkissen zu legen. Die harte Unterlage bringt wohl wenig, aber sich vor dem Schlafengehen noch einmal mental mit dem Gelernten zu beschäftigen, sorgt nicht nur dafür, dass man eben noch weitere Wiederholungen im Kopf durchgeht sondern es ist auch wissenschaftlich erwiesen, dass Visualisierungen zu verbesserter Leistung, verbesserter Motivation und mehr Selbstvertrauen führt – gibt dies euren Schützlingen mit nach dem Training und die Lernfortschritte werden sich schneller einstellen.
„Take a Nap“ (COYLE 2012) – wie das gleichnamige Buch war auch dieser Tipps bzw. das Konzept dahinter ein Game-Changer, den ich selber – insbesondere in früheren Prüfungsphasen – selber angewandt habe. Schlaf. Wir wissen von vielen Topsportlern, allen voran Christiano Ronaldo, der einen eigenen Schlafcoach engagiert, dass sie a) viel schlafen, oft werden hier 10-11 Stunden angegeben und b) auf diese Gesamtsumme kommen, indem sie einen Mittagsschlaf machen. Es gibt Untersuchungen, die so z.B. 10% Verbesserung des Erinnerungsvermögens bei einem 90-minütigem Nap zeigen. Training ist motorisches Lernen, auch das Bewegungslernen wird im Schlaf neuronal „verdrahtet“ – und wer eben nicht auf seine min. 8-9 Stunden kommt, der macht eben hier auch weniger Lernfortschritte.
Mehr Tipps findet Ihr in dem Buch “Little Book of Talent“ von Daniel Coyle, neben den ersten drei Artikeln dieser Serie habe ich die Literaturempfehlungen sowie drei Videos zu dem Thema unter www.badminton.education verlinkt.
Nun zum letzten und entscheidenden Punkt: die Lernumgebung. Aufgabe: bei YouTube einmal eingeben „Happiness starts with a smile“ oder dem Link oben folgen, wo ich dies Video auch hinterlegt habe.
Dies ist für mich insbesondere im Vereins- und Nachwuchsbereich eines der Hauptaufgaben des Trainers. Derjenige sein, der durch einen Funken die ganze Entwicklung anschiebt. Eine ideale Lernumgebung, also unser Trainingsumfeld in der Halle muss Spaß (oder besser Freude) machen, muss inspirierend und motivierend sein, zum Mitmachen und Einbringen anregen und sollte bei allen Schwierigkeiten – denn Stess und Misserfolg sind ein wichtiger Teil des Lernens – Sicherheit bieten. Es muss „ok“ sein, Fehler zu machen. Wir brauchen Fehler als Teil der Entwicklung und müssen dies als Teil der Kultur implementieren. Auch lehren Freunde empfinden, an Sachen zu feilen und verschiedene Wege auszuprobieren, ohne das Ziel vor Augen zu verlieren.
Zwei weitere Punkte sind für mich in Bezug auf die Lernumgebung wichtig:
Anzahl der Wiederholungen: Wir brauchen eine möglich hohe Anzahl an sinnvollen Wiederholungen. Wiederholungen ohne Wiederholen. Dazu müssen wir uns vor dem Training viel Gedanken machen, wie wir dies am besten – gerade mit kleinen Kindern – schaffen. Einige Beispiele:
- Eltern für den Zuwurf ins Training einbinden statt das Training kritisch zu beäugen oder vor der Halle zu warten
- Ballzuwurf motivierend mit kleinen Kindern immer wieder anfangs üben, in Geschicklichkeitsparcouren, in Wurfspielen, im Badminton-Biathlon
- Übungen so kreieren, dass keine Wartezeit entsteht (siehe auch Link oben für zwei Beispiele im Video)
- Frühzeitig Übungen mit fliegenden Ball einüben, nun kann der „Zuspieler“ auch an Sachen feilen.
Der letzte Punkt, ich hatte es bereits unter dem Punkt „to learn it deeply, teach it“ – also frei übersetzt, wenn man etwas richtig und tiefgehend meistern möchte, soll man es anderen beibringen. Auf das Gruppentraining wäre dies für mich das sogenannte Peer-Learning. Hier kann ich mir als Trainer im vorhinein Gedanken machen, wie ich dieses Konzept in mein Training einbaue. Dazu ein Beispiel, was ich dazu immer im Kopf habe und zeigt, wieviel Potential hier steckt: Ich hatte man eine junge Spielerin im Training, ca. 11 Jahre alt, die wegen muskulärer Problemchen in einer Einheit etwas kürzer treten musste. Weil eine ganz neue und sehr junge 8-jährige Spielerin neu in der Gruppe war, bat ich die 11-jährige, knapp 45 Minuten in die Trainerrolle zu schlüpfen und zwei Technikthemen mit Ihr zu trainieren, samt eigenständigem Übungsaufbau und Erklärungen. Ich hätte es kaum besser machen, es war extrem motivierend und spaßig für beide. Spielern lernen eben noch besser untereinander, und dabei Spieler von Spielern und Spielerinnen von Spielerinnen. Die jungen Mädchen waren damals übrigens Emma Moszczinsky und Thuc Nguyen, die ja nicht unerfolgreich im Jugendbereich waren und immer noch den Schläger schwingen.
Weitere Bespiele zum Peer Learning mit denen ich gute Erfahrung sammeln konnte und die zwar Planung erforderten – aber auch nicht überaus viel – und viele gute Effekte erzielten:
- Mentorentandems bilden und diesen a) Zeit und b) Aufgaben geben
- Spieler*innen, die etwas schon gut können vormachen und erklären lassen, aber auch in diese Rolle bringen
- ältere Spieler*innen im Training einbinden (=mehr Coaches + Lerneffekte für den Coach), ältere Spieler*innen zur Trainerausbildung motivieren
- Spieler*innen bereiten ganze Einheiten oder Teile davon vor und präsentieren diese
- Gruppenaufgaben, wo Spieler*innen selber Lösungen erarbeiten.
Ich hoffe, ich konnte Euch ein paar Anregungen geben, wie wir als Badmintontrainer*innen noch besser agieren können und unseren Spieler*innen zu besserem Lernerfolg und damit mehr Freude, Motivation und Erfolg führen.
Viel Erfolg beim Umsetzen!
Diemo Ruhnow (MSc Sport Coaching, Dipl. Trainer DOSB) ist als Leitender Bundestrainer Doppel/Mixed für den Deutschen Badminton Verband tätig. Er ist international als Referent im Badminton- und Athletikbereich und als Autor für die Trainerecke der BADMINTON Sport sowie für die Internetseite www.badminton.training tätig.
Quellen:
Coyle, D. (2010) Talent Code. Arrow, London (UK).
Coyle, D. (2012) The Little Book of Talent. Bantam, London (UK).
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