Interview: Skills fürs Leben - Teil 5
Was machen eigentlich unsere Badmintonnachbarn – Lisi Baldauf & David Obernosterer ?
Unter dem Motto „Skills fürs Leben durch Badminton – was macht eigentlich ...?“ stehen in der BADMINTON SPORT in diesem Jahr vor allem ehemalige Weltklassespielerinnen und -spieler des Deutschen Badminton-Verbandes (DBV) im Fokus. Für diese Ausgabe des DBV-Verbandsmagazins schaute Diemo Ruhnow, der leitende Bundestrainer Doppel/Mixed im DBV, über die Landesgrenzen hinweg und sprach mit den sympathischen österreichischen Olympiateilnehmern Elisabeth Baldauf und David Obernosterern – Badmintoninsidern aus ihrer langen Bundesligavergangenheit bekannt.
Diemo Ruhnow: Willkommen Ihr beiden hier bei unserer Serie BADMINTON Sport Skills fürs Leben. Bundesliga-Insidern seid ihr ja wohlbekannt, aber erzählt doch mal, was verbindet Euch mit Badminton Deutschland?
David: Die Anfänge zu Deutschland gehen für uns schon recht lange zurück, auch durch unseren Jugendnationaltrainer Manfred Ernst. Damals, wo wir 13/14 waren, war er zuständig für uns, war oft auch bei uns in Vorarlberg beim Training. Ich selber habe dann mit 15 auch den Wechsel nach Deutschland versucht, zog in das Athletenhaus in Rosenheim. Da war ich mit der Generation um Lukas Schmidt, Oliver Roth und Hannes & Peter Käsbauer, hab es aber relativ schnell abgebrochen. Die schulische Differenz zwischen Deutschland und Österreich war einfach zu groß. Der Kontakt mit Mani ist aber immer geblieben. Mit 23 konnte ich dann in die Bundesliga wechseln und bin dann wieder auf Hannes und Peters sowie auf Luki und Oli – und ich glaub die Elisabeth ist ein Jahr später dazu gestoßen.
Elisabeth: Genau. Als ich 2013/14 begonnen habe, Einzel zu spielen bin ich nach Rosenheim in die Bundesliga gekommen. Auch bei mir ist Manfred Ernst die große Verbindung zu Deutschland. Auf Trainingslagern wie in Brigg haben wir immer die ganzen deutschen Spieler wiedergetroffen. Wir haben bis heute Kontakt.
Diemo Ruhnow: David, wie war das – hast du Lisi mit ins Boot geholt? Oder wie hat sich das ergeben? Wart ihr damals eigentlich schon zusammen?
David: Das geht bis in die Schulzeit zurück. Wir sind beide auf ein Sportgymnasium gegangen, wo wir auch Badmintontraining hatten. In der fünften, sechsten Klasse haben wir sozusagen schon Gefallen aneinander gefunden. In Wien waren wir auch zusammen und dann hat es sich bei der Bundesliga auch immer wieder irgendwie ergeben. Wir waren nicht ständig in den gleichen Teams, aber es hat immer wieder gepasst. Letztes Jahr haben wir dann geheiratet.
Elisabeth: Und jetzt erwarten wir zusammen ein Kind. Im Dezember ist es soweit.
Diemo Ruhnow: Gratulation! Da ändert sich das Leben gleich noch einmal. Wie hat sich denn euer Alltag nach dem Abschied vom Leistungssport verändert? Was macht ihr aktuell?
David: Mein Abschied war nach den Olympischen Spielen, mehr oder weniger freiwillig. Ich hatte während der Spiele und auch schon in der Quali große Schmerzen in der Hüfte. Anfang 2017 hab ich dann die Karriere beendet. Zu dem Zeitpunkt war ich bei meinem Bachelorstudium an der Wirtschaftsuni Wien schon recht weit. Ich hab dann alle Energie und Zeit in den Abschluss gelegt und ihn im Sommer desselben Jahres geschafft. Nach neun Jahren war mein Bachelor damit fertig. Vor dem Abschluss hab ich mich schon auf ein Praktikum bei der Rational AG beworben und die Stelle auch gleich bekommen. Nach acht Monaten habe ich mich bei ThyssenKrupp in Lichtenstein beworben, auch im Bereich Controlling. Dort hab ich mich im Assessment Center gegen diverse Konkurrenten durchgesetzt. Nach etwa neun Monaten ist das alte Unternehmen Rational AG auf mich zugekommen und haben mich mit einer festen Stelle zurückgeholt. Inzwischen bin ich vom Junior zum Senoir Controller aufgestiegen und bin verantwortlich für Lateinamerika und Key Account – alles was Finanzen und Controlling angeht.
Elisabeth: Ich bin jetzt Lehrerin bei uns am Sportgymnasium in Voralberg. Wir haben dort ganz gemischt Oberstufenschüler vom Breitensport bis hin zu den Voralberger Nachwuchssportlern, die sich sozusagen für den Spitzensport angemeldet haben. Da bin ich jetzt in meinem zweiten Jahr für die Fächer Mathematik und Bewegung und Sport zuständig. Mit meinem Hintergrund wollte mich die Schule unbedingt. Eine Lehrerin, die Leistungssport betrieben hat und dann noch bei den Olympischen Spielen war – und ich war selber auf dieser Schule. Es haben sich vom Rektor bis zu den Kollegen alle darum bemüht, dass ich dahin komme.
Diemo Ruhnow: Und wie war es während deines Studiums? Gab es Hindernisse, die du aus dem Weg räumen musstest?
Elisabeth: Wenn ich mich an die Zeit zurückerinnere, war es sehr, sehr viel harte Arbeit. Das Studium dauert eigentlich neun Semester – ich hab doppelt so lange gebraucht. Ich musste schon einen ziemlichen Spagat machen zwischen Anwesenheit an der Uni und im Training.
Diemo Ruhnow: David, du hast erwähnt, dass dein Studium auch recht lange gedauert hat. Hattest du das Gefühl, dass es ein Problem für die Unternehmen war?
David: Ich habe natürlich überall in meinen Bewerbungsunterlagen und meinem Lebenslauf erwähnt, dass ich Leistungssport gemacht habe und bei den Olympischen Spielen war. Und ich habe bei beiden Unternehmen die Rückmeldung bekommen, dass sie es begrüßen, wenn Studenten auch etwas anderes gemacht und erlebt haben. Ich glaub auch, dass das Interesse an ehemaligen Leistungssportlern mit Ausbildung enorm groß ist. Einfach aufgrund von dem Mindset und den Skills, die man dadurch mitbringt und die Lebensschule, die man durchmacht. Das sticht einfach ins Auge.
Diemo Ruhnow: Welche Skills sind es konkret, die du für deinen aktuellen Job brauchst?
David: Der größte Punkt ist die Kritikfähigkeit. Man ist einfach gewohnt, damit umzugehen, will sich immer weiter verbessern. Und man hat den Willen und Drang, es einfach immer besser zu machen – auch besser, als alle anderen Kollegen und Mitarbeiter. Das sind Eigenschaften, die nicht viele mitbringen.
Diemo Ruhnow: Wenn ihr beide zurück denkt an eure Anfänge im O19-Bereich, welche Gedanken habt ihr euch über die Zukunft gemacht? Bei uns bedeutet die Entscheidung zwischen Leistungssport und Karriere oft Stress. Muss das eine Entweder-oder-Entscheidung sein?
David: Mir hat sich die Frage eigentlich nicht wirklich gestellt. Bei mir war es immer Badminton und Studium. Ich bin dann recht rasch ins Bundesheer gekommen – das Pendant zur deutschen Bundeswehr inklusive Sportförderung. Dann war für mich der Studiennachmittag der Mittwoch, wo wir nur eine Vormittagseinheit hatten. Deshalb hat sich das Studium so lange gezogen. Aber für mich war immer klar, Badminton und Ausbildung, weil ich danach einen guten Job haben wollte.
Diemo Ruhnow: Hast du nie daran gezweifelt, dass es beides zusammen klappen kann?
David: Natürlich hat man Zweifel. Vor allem am Anfang vom Studium, wenn andere, mit denen man Vorlesungen hat, einfach schneller studieren und besser vorwärts kommen und man selber nicht das schafft, was man sich vorgenommen hat. Ich hatte immer die Absicherung, im Bundesheer zu sein. Es ist oft nicht angenehm, man muss sich nach dem Training noch hinsetzen und was machen, aber die Frage, ob ich ein Studium mache, hat sich nie gestellt.
Elisabeth: Bei mir war’s eigentlich ganz konträr. Ich bin mit 18 Jahren nach Wien an den Stützpunkt. Da hatte ich noch ein Jahr in der Jugend. Ich hatte keinen Bundesheerplatz und nicht die finanzielle Absicherung. Daher war’s schon immer Badminton oder studieren. Für mich war eher das Studium im Vordergrund und ich habe probiert, das Badminton drum herum zu organisieren. Nach zwei Jahren wurde mir das ehrlich gesagt zu viel. Ich hatte Gott sei Dank verständnisvolle Trainer, die haben gesagt: „Jetzt lass die einfach mal studieren“ und ich bin aufs Training gekommen, wenn’s mir passt. Ein halbes Jahr bin ich dann richtig gut vorangekommen im Studium. Das hat mir Selbstvertrauen gegeben, dass es mit dem Badminton auch irgendwie klappt. Ich hab das total vermisst, die Reisen, die Herausforderungen im Sport. Und ich wollte auch keine normale Studentin sein wie jede andere, das war mir ein bisschen zu wenig.
Diemo Ruhnow: Ihr habt es beide geschafft, euch für die Olympischen Spiele zu qualifizieren. Was ist aus eurer Sicht notwendig, um im Leistungssport erfolgreich zu sein? Gibt es Unterschiede in so einer verhältnismäßig kleineren Sportnation?
David: Natürlich sind die Voraussetzungen ganz andere als in Deutschland. Wir sind wie du gesagt hast ein kleines Land, das bringt Vor- und Nachteile. Die Olympiaqualifikation ist einfacher wenn man nur den internationalen Quotenplatz braucht. Dafür ist es aber viel schwieriger, dahin zu kommen. Man hat nicht die Vorbilder, man hat nicht die Trainingsgruppe. Am Anfang war das System auch noch nicht so ausgerichtet. Ich war damals der erste Jahrgang, der nach Wien an den Stützpunkt gekommen ist, den Rena Eckart hauptverantwortlich aufgebaut hat. Bei mir hat es ganz viel Disziplin, harte Arbeit und Hartnäckigkeit gebraucht, um dahin zu kommen. Ich kann mich an eine Phase erinnern, wo ich acht Erstrundenniederlagen hintereinander hatte – das ist dann nicht lustig, wenn man 21 ist und Studienkollegen ‘n bisschen chilliger machen und ein schönes Leben haben. Deswegen Hartnäckigkeit, Zielstrebigkeit und irgendwo eine positive Verrücktheit, die man mitbringen muss. Und danach braucht’s einfach Zeit.
Diemo Ruhnow: Lisi, wie war das bei dir? Du hattest ja am Stützpunkt in der Trainingsgruppe hauptsächlich Männer um dich – hat dir das Stress gemacht?
Elisabeth: Ich hatte innerlich schon großen Stress. Das große Ziel war immer, dass mich Männer akzeptieren. Und nicht im dem Sinne als kumpelhafte Frau, die mal in der Trainingsgruppe dabei ist, sondern als gleichwertige Trainingspartnerin. Spielerisch war das natürlich eine Herausforderung. Wenn die Jungs ihre 100 Prozent bringen, musste ich immer 130, 140 Prozent geben. Das hat mich extrem schnell weitergebracht. Als Frau braucht man aber auch andere Dinge wie das Quatschen nach dem Training. Von den Emotionen hab ich mich weniger gut aufgefangen gefühlt. Das war die größte Herausforderung.
Diemo Ruhnow: Wie war das Sportlerleben für euch aus finanzieller Sicht? Elisabeth: Ich war erst die letzten vier Jahre im Bundesheer. Davor haben mich meine Eltern sehr, sehr unterstützt. Dann gab’s die Liga, ein paar Fördertöpfe in Österreich für Frauen im Leistungssport. Aber ich muss schon sagen, mein Trainings- und Leistungssportdasein hat sich sehr gewandelt, als ich ins Heer gekommen bin. Da war eine große Erleichterung da.
David: Den Leistungssportweg in Österreich zu machen geht eigentlich nur mit dem Bundesheerplatz. Wenn man den kriegt, ist man eigentlich schon gut abgedeckt. Neben dem monatlichen Zahltag ist man ja auch pensionsversichert. Durch das Ligaspiel und den ein oder anderen privaten Sponsor geht sich’s ganz bequem aus. Da muss man sich am Anfang auch mit Studienabschluss strecken um das zu verdienen. Natürlich darf man sich nicht mit einem Fußballer oder Tennisspieler vergleichen, der Vergleich ist immer gefährlich. Aber man muss sich nicht verstecken.
Diemo Ruhnow: Auf welche Momente eurer Karriere blickt ihr besonders gerne zurück? Was vermisst ihr am Leben als Leistungssportler?
Elisabeth: Ein entscheidender Moment in meiner Karriere war in der Rio-Qualifikation. Ich wusste einfach, ich muss in Kuba das Finale erreichen und gewinnen. Gegen meine Gegnerin Akvilė Stapušaitytė hatte ich schon dreimal verloren. Ich weiß nicht, wie ich es gemacht habe, aber ich habe gewonnen. Die Spiele in Rio waren das i-Tüpfelchen, aber der Weg dahin war einzigartig – den würd ich immer wieder machen.
David: Wenn ich an Rio zurückdenke krieg ich eigentlich immer noch Gänsehaut. Die Eröffnungsfeier im Maracanar-Stadion oder die Matches gegen Lin Dan – das ist nach wie vor unglaublich cool. Am meisten vermisse ich die tägliche körperliche Arbeit und das Gefühl, wenn man alles gegeben hat und einfach nur fertig und zufrieden mit der Tasche heim geht.
Elisabeth: Dadurch, dass wir so eine kleine Nation sind, habe ich viele Freundschaften international aufgebaut. Ich habe es immer genossen, zu reisen und diese kleine Familie wiederzutreffen. Egal, ob Spieler oder Trainer, man hat einige Zeit mit ihnen verbracht, tiefe Gespräche geführt, das vermisse ich wirklich sehr.
Diemo Ruhnow: Welchen Rat würdet ihr jüngeren Spielern, egal ob in Österreich oder Deutschland, mit auf ihren Karriereweg geben?
Elisabeth: Zweifel sind voll normal in dem Alter. Was man macht, muss man mit Herz machen, mit Gefallen und Spaß. Ich würde immer 100, 120 Prozent geben. Man braucht kein großes Ziel. Wenn man immer dranbleibt, kommt der Weg von allein. So war es zumindest bei mir.
David: Ich kann nur sagen: unbedingt probieren. So viele Erfahrungen, die man da sammelt, was man alles erlebt – das ist es einfach wert. Ich würde es immer wieder machen. Ich hab mein Hobby zum Beruf machen dürfen und das für zehn Jahre. Das normale Berufsleben hat man noch lange genug.
Diemo Ruhnow: Vielen Dank für das Interview und alles Gute für Eure Zukunft!
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